Bilder 2

Zeitenwende

Es geht mir nicht darum, KI zu preisen oder zu verdammen. Ich finde es derzeit am interessantesten zu verstehen, wie dieses Werkzeug mit der Kulturgeschichte und dem menschlichen Geist interagiert. Die in kürzester Zeit erstellten, atemberaubenden Bildwerke verlangen danach, sich auf das Thema einzulassen.

Quantität und Komplexität haben bei der Bild-KI eine eigene Qualität entwickelt, die sich verwandt mit der Komplexität des Lebens und des Gehirns anfühlt, die auch etwas schuf, das mehr ist als die Summe vieler Teile. Und es ist zugleich so, dass alles, was sich in diesem Informations-„Raum“ abspielt, trotz dieser Quantität und Komplexität eine zugrunde liegende Einheitlichkeit besitzt, die ständig traumartige, fluide Übergänge ermöglicht. Was auch mit dem Thema der Unbeständigkeit als Grundprinzip des Lebens und des Geistes verknüpft ist. Man fühlt sich Evolution und Kunstgeschichte in ihrem „Panta Rhei“ angeschlossen.

Es scheint darauf hinauszulaufen, dass alle vorstellbaren Bilder auch tatsächlich in den nächsten Jahren erzeugt werden und daher Künstler in gewisser Weise überflüssig werden. Falls doch noch etwas Neues geschaffen wird, kann dies auch ein Kunstkenner tun, vielleicht sogar besser, weil er bessere Prompts schreiben kann. Das klingt schrecklich, aber ob es das ist oder wahrhaft disruptiv die Kultur auf eine Weise verändert, die vielleicht besser ist? Zumindest dürften schlechte Bilder es zunehmend schwerer haben. Das Handgemalte oder -gemachte wird jedenfalls unverändert von Wert sein, mehr denn je.

Man sollte nicht den Fehler machen und bei der Untersuchung der Realität, dessen was IST, das auszublenden, was man nicht WILL. Es gibt hübsche Thesen über die Welt und den Geist, aber es gibt nur eine Wirklichkeit. Hohe Instabilität, „Flüssigkeit“, und evolutionäre Prozesse sind jedenfalls wesentlich, wie mir die KI stärker spürbar machte. Das mag nicht jedem gefallen, und man kann diesen Aspekt wohl auch ausblenden, das Werkzeug benutzen für eigene Zwecke, Schaffung eigener Wunschwelten. Die reflexartige Ergänzung unvollständiger Informationen zeigt übrigens auch eine Verwandtschaft von KI und Gehirn. Aber viel grundsätzlicher gibt es wahrscheinlich einen unüberbrückbaren Unterschied. Der „Denkvorgang“ selbst ist eher deterministisch bei der KI.

Ich bin sicher, dass diese Fragen so tiefgründig sind und eigene Vorlieben berühren, dass sie schwer zugänglich sind, vor allem wenn bestimmte Schlussfolgerungen spontan Unbehagen bereiten. Urheberrecht, Arbeitslosigkeit und Profit sind nur einige von vielen Fragen. Dennoch kann und muss man sich auf das pure kreative und ästhetische Potenzial einlassen.

Auf jeden Fall sollte man vorurteilsfrei aber aufmerksam dieses neue Tool für Kreativität anwenden und sich überraschen, amüsieren und zur Erforschung leiten lassen. Die KI ist voll gestopft mit tendenziell allem menschlichem Wissen und Träumen, funktioniert mit Sprache und schafft daher eine ganz neue Qualität in der Interaktion mit einem Werkzeug. Sie ist (noch) nicht eigentlich kreativ, aber der mächtigste zufallsbasierte Erzeuger von Brainstorming-Ideen. Die dynamische Entwicklung ist auch zu beachten, – was heute noch nicht geht, geht morgen. Nur grundsätzliche Grenzen (wie echte Kreativität?) können nicht überschritten werden.

Ich habe den Eindruck, dass die Surrealität vieler Ergebnisse auch zu tun hat mit noch bestehenden Unvollkommenheiten. Unter anderem ist es wohl auch das, was mich so fasziniert. Ich hoffe, das geht im Zuge der laufenden Perfektionierung nicht verloren, bzw. bleibt in Form der ersten KI-Modelle erhalten.

 Thomas Bode, Dipl. Designer (FH), bode@iconlab.de, www.iconlab.de